Ich kann fliegen
Ich kann fliegen
Und keiner darf es wissen
Ich entschlüpfe den engen Wänden
Der Materie
Ich gleite durch die mondhelle Finsternis
Über den glitzernden Schnee
Begleitet mich mein Schatten
Dunkel und ganz leise
Die Freiheit und die Freude
Berauschen mich
Ich lache, lache und schwebe
Vorbei an den blau erhellten
Dumpfen Fenstern
Wo die Schatten bewegungslos
In den Sesseln harren
Ich atme und
Fühle die Kraft
Die mich hält
Eins sein
Eins sein
Ich weih Dir mein Gesicht
und färb mir Deine Hände
Du erkennst Dich gleich
wenn ich mich zu Dir wende
Was bin jetzt ich
und was bist Du
Komm, pflücken wir uns auseinander
Du bist so wundervoll als Du
Mein Hirn
Mein Hirn macht große Blasen
Rote, gelbe, blaue
Der Morgenröte folgt ein düsteres Grau
Es spinnt sich ein in Geschichten
Es bläht sie auf und denkt sich
Um sich selbst herum
Und fängt von vorne an
Mit dem Morgen und dem Morgengrauen
Ich habe Sehnsucht nach dem Leeren
Das volle kenn ich schon
Das Leere fürcht ich sehr
Denn wer weiß
Was drin ist
Nichts -was ist denn das
Das ist doch nichts
Was ist das schon
Komm nimm mein aufgeblähtes Hirn
Und schmeiß es in die Waschmaschine
Lass sie herauswaschen all diese Fülle
An überflüssigem Füllmaterial
Bis nichts mehr drin ist
Als ich selbst und sonst nichts
Sie gaben mir einen Namen
Und sie gaben mir einen Namen
Damit alles
Was künftig von mir
Kommen und gehen sollte
Benannt war mit dem Götzen
Dieses Wortes
Damit hing untrennbar zusammen
Was sie in mir sahen und sehen wollten
Was ich tun und lassen sollte
In welche Bahn mein Weg sich einordnete
Und zusammengefügt würde
Zum Ganzen
Zum Namenlosen
Das ist mein Kind
Es gehört mir nicht
Und ist doch
Ein Geschenk
An mich für eine kurze Zeit
Ein Geschenk
An den Ort, an dem ich lebe
Ein Geschenk
An die Welt.
Ich bin nur geborgt
Es zu umsorgen
Zu geben, was mir gegeben wurde
Durch mich fließt das Leben, die Liebe
Für eine kurze Zeit
Bis ich wieder teile
Das Raunen mit dem Wind
Mit den Vögeln
Die Luft
Mit den Bäumen
Das Laub
Mit mir
Das Lachen, das Weinen, das Singen
Ich bin Teil
Von allem
Komm steh mit mir
Komm steh mit mir auf unseren Füßen
lass uns die Frische fühlen
und unsere Wurzeln, die verknüpft sind
mit dem glühenden Erdkern
Lass uns spüren, was über uns ist
was über uns kommt
die klare Luft und den Raum
unendlich – oben und unten
Lass uns wachsen nach oben und nach unten
und singen und tanzen und danken
für oben und unten und alles
Gabriele Aigner, 2011